Schubtherapie, Immuntherapie, symptomatische Therapie – die Behandlungsmethoden im Überblick

Schübe eindämmen, Lebensqualität steigern – diese Therapien helfen bei MS

Obwohl die Multiple Sklerose bis heute nicht ursächlich heilbar ist, kann das Risiko für Schübe reduziert und so ein Fortschreiten der Erkrankung eingedämmt werden. Unsere Behandlungsstrategie ruht auf zwei Säulen: einer frühzeitig einsetzenden Immuntherapie und einer intensiven symptomatischen Therapie. Die immunologische Therapie wirkt direkt auf Bestandteile des Immunsystems ein, reduziert neue Entzündungsaktivitäten im zentralen Nervensystem und trägt zur Besserung von Krankheitssymptomen bei. Ergänzend dazu setzen wir im Rahmen der symptomatischen Therapie weitere Strategien ein, um Symptome zu lindern und Ihre Lebensqualität zu steigern. Bei einem akuten Schub gilt es zusätzliche Maßnahmen einzuleiten, um Entzündungsaktivitäten rasch zu unterdrücken.

Die Therapie des akuten Schubes: gezielt und hochdosiert

Beim akuten Schub ist die hochdosierte Cortison-Pulstherapie das Mittel der Wahl. Dabei berücksichtigen wir, ob bei Ihnen aktuell Begleiterkrankungen vorliegen, die eine Cortison-Pulstherapie verhindern. Bei einer Cortison-Pulstherapie werden üblicherweise an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen mittels einer Infusion Glukokortikoide (Cortison) verabreicht. Diese wirken direkt auf die beim MS-Schub vorliegenden immunologischen Störungen ein und hemmen so den akuten Entzündungsprozess. Bei sehr schweren, nicht auf Cortison reagierenden Schubsymptomen, bieten wir ein Plasmareinigungsverfahren, die Immunadsorption, an. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Art „Blutwäsche“: Das Blut wird von Antikörpern, die gegen das Nervensystem gerichtet sind, sowie weiteren Eiweißmolekülen gereinigt und anschließend in den Körper zurückgeführt.

Mit Immuntherapie neuen Entzündungsherden vorbeugen

Alle von uns angebotenen medikamentösen Immuntherapien zielen darauf ab, Ihren Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Das bedeutet, weitere Schübe und Entzündungsaktivität im Gehirn und Rückenmark, die sogenannten „Herde“, möglichst zu verhindern und somit die Krankheitsaktivität zu kontrollieren. Der überwiegende Teil der Medikamente dient der Verhinderung von Schüben, einige eignen sich auch zur Eindämmung der Krankheitsverschlechterung (genannt primäre oder sekundäre Progression). Alle Medikamente der MS-Therapie wirken, indem sie außer Kontrolle geratene Komponenten des Immunsystems (u. a. T-Lymphozyten, B-Lymphozyten und ihre Antikörper sowie Makrophagen, sogenannte „Fresszellen“) in Schach halten: Einerseits unterdrücken sie die Anzahl oder Aktivität der überaktiven Immunzellen, andererseits versperren sie Immunzellen den Weg in das zentrale Nervensystem  –  sie „dichten“ also die Blut-Hirn-Schranke ab.

Die richtige Immuntherapie für jede Verlaufsform

Das für Sie geeignete Medikament zur Schubvorbeugung versuchen wir stets mit Ihnen gemeinsam auszuwählen. Dabei berücksichtigen wir Ihre medizinischen Voraussetzungen (Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen, Risikofaktoren), aber auch Ihre persönlichen Wünsche (Lebenssituation, Lebensplanung, Einstellung zu Medikamenten und Risiken). Bevor wir eine Therapie beginnen, klären wir Sie über die Stärken, aber auch Grenzen des Medikaments auf und besprechen mit Ihnen mögliche Nebenwirkungen. Je nach Krankheitsverlauf unterstützen wir Sie mit unterschiedlichen medikamentösen Strategien. Die in den folgenden Absätzen genannten Medikamente können nur einen allgemeinen Überblick über das medikamentöse Behandlungsspektrum geben. Ihr behandelnder Arzt berät Sie gerne über in einem persönlichen Gespräch über spezifische Wirkungen und Nebenwirkungen.

Bei einer schubförmigen MS mit hoher Entzündungsaktivität:
Bei schweren oder häufig auftretenden Schüben ist ein rasches und massives Unterdrücken des Immunsystems erforderlich – dabei kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein auch ein höheres Nebenwirkungsrisiko in Kauf zu nehmen. Einige der Medikamente werden als Infusion verabreicht, die meisten zählen zur Gruppe der sogenannten „Immunsuppressiva“. Alle genannten Medikamente (Reihenfolge alphabetisch) können nicht nur die Schubfrequenz, sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung verhindern:

  • Alemtuzumab: Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper mit langandauernden immunsuppressiven Eigenschaften. Ziel ist, die Anzahl reifer Lymphozyten (Untergruppe der weißen Blutkörperchen, Leukozyten) im Blut zu verringern.
  • Cladribin: Dieser in Tablettenform erhältlich Wirkstoff führt ebenso zu einer langandauernden Unterdrückung von Teilen des Immunsystems, den B- und T-Lymphozellen.
  • Fingolimod: Dieses Medikament hält einen Großteil der normalerweise im Blut zirkulierenden Lymphozyten im Lymphknoten zurück ohne sie zu zerstören. Dieses Medikament wird in Kapselform eingenommen.
  • Natalizumab: Dieser Wirkstoff ist ein monoklonaler Antikörper, der ein Eiweißmolekül auf der Zelloberfläche von weißen Blutkörperchen blockiert und damit das Einwandern von Entzündungszellen in das Gehirn hemmt.
  • Ocrelizumab: Dies ist ein weiterer monoklonaler Antikörper, der spezifisch die Zahl der B-Lymphozyten verringert.

Bei einer schubförmigen MS mit milderem Verlauf:
Liegt ein milderer Verlauf vor, kann auf Medikamente mit einem besonders gut bekannten Sicherheitsprofil zurückgegriffen werden. Diese sogenannte „Basistherapie“ ist oft mit einem etwas günstigeren Nebenwirkungsprofil verbunden – daher empfehlen wir einige der Medikamente (Beta-Interferone, Glatirameracetat) auch Patientinnen, die eine Schwangerschaft planen. Folgende Medikamente kommen dabei zum Einsatz (Reihenfolge alphabetisch):

  • Beta-Interferone (IFN-ß): Dabei handelt es sich um eine Spritzentherapie, die die Aktivität von Entzündungszellen einschränken kann. Außerdem hindern Beta-Interferone Entzündungszellen am Durchtritt durch die „Blut-Hirn-Schranke“.
  • Dimethylfumarat: Auch dieses als Tablette eingenommenes Präparat beeinflusst die Funktion von Entzündungszellen und hat möglicherweise zusätzlich einen gewebeschützenden Effekt auf Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark.
  • Glatirameracetat: Dieses als Spritze verabreichte Medikament beeinflusst die Funktion von Entzündungszellen, sodass diese weniger aktiv gegen körpereigenes Gewebe vorgehen.
  • Teriflunomid: Dieses Arzneimittel in Tablettenform ist nahe verwandt mit dem Rheuma-Basistherapeutikum Leflunomid. Es reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Teilung und Vermehrung aktivierter weißer Blutkörperchen, indem ein hierfür erforderliches Enzym in den Zellen gehemmt wird.

Bei sekundär chronisch progredientem Verlauf:
Bei einem Verlauf mit drastischer Beschwerdezunahme in kurzer Zeit ist das Immunsuppressivum Mitoxantron eine bewährte Option. Mitoxantron wird üblicherweise alle drei Monate als Infusion verabreicht. 

Bei primär progredientem Verlauf:
Seit Anfang 2018 gibt es mit Ocrelizumab erstmals ein zugelassenes Medikament für Patienten mit primär progredientem Verlauf der MS. Ocrelizumab neutralisiert bestimmte B-Lymphozyten und verzögert nachweislich das Fortschreiten der Erkrankung. Die Behandlung besteht aus einer alle sechs Monate durchgeführten Infusion. 

Bei einigen Sonderformen der MS:
Wenn die Abgrenzung zu anderen Autoimmunerkrankungen schwierig ist oder wenn andere MS-Medikamente nicht angewendet können, kann Azathioprin eingesetzt werden. Dieses Präparat ist für viele Autoimmunerkrankungen zugelassen und hemmt als Immunsuppressivum die Vermehrung und Aktivität von B- und T-Lymphozyten.

Für eine optimale medikamentöse Behandlung der MS ist es wichtig, dass Sie sich für einen frühzeitigen Behandlungsbeginn entscheiden. Wir begleiten Sie im Verlauf der Erkrankung und führen regelmäßige Befundkontrollen durch. Bei Nebenwirkungen oder unzureichendem Effekt erarbeiten wir mit Ihnen eine Medikationsumstellung.

Dr. Wolfgang Feneberg
Leitender Oberarzt, 
Facharzt für Neurologie, Zusatzbezeichnung Physikalische Therapie und Balneologie sowie Rehabilitationswesen

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„Dank intensiver weltweiter Forschung verfügen wir heute über eine beachtliche Zahl verschiedener Immuntherapien zur Behandlung der MS  – eine große Chance für unsere Patienten."

Dr. Wolfgang Feneberg, Leitender Oberarzt, Facharzt für Neurologie
 

Mehr Teilhabe am Alltagsleben – die Ziele der symptomatischen Therapie

Eine symptomatische Therapie ist in allen Krankheitsphasen der MS sinnvoll. Bei schubförmiger und sich verschlechternder MS findet sie begleitend zur immunologischen Therapie statt. Sie kann aber auch sehr gewinnbringend bei Patienten eingesetzt werden, bei denen die immunologische Therapie nicht im Vordergrund steht. Die symptomatische Therapie unterstützt Sie bei alltäglichen Fragestellungen: Wie kann ich meine Beweglichkeit verbessern und Muskelverkürzungen vorbeugen? Was kann ich tun, um ein ständiges Verschlucken zu vermeiden? Wie kann ich mich wacher und fitter fühlen?

Wir möchten Ihnen helfen, Ihren Alltag möglichst selbstbestimmt zu leben und zukünftige Komplikationen zu verhindern. Dazu gehört, folgende Symptome der MS zu lindern:

  • spastische Lähmungen und Bewegungsstörungen
  • Schluck- und Sprechstörungen
  • Erschöpfung und Depressionen
  • Schmerzen
  • Kognitive Einschränkungen
  • Störungen der Blasen- und Darmfunktion
  • Sexualstörungen

Wir arbeiten am Erhalt Ihrer Lebensqualität, indem wir gemeinsam mit Ihnen konkrete Ziele festlegen und dann die passenden Therapiebausteine auswählen. Uns ist wichtig, Ihrer Behandlung eine klare Richtung zu geben – denn nur so können wir regelmäßig überprüfen, ob die Maßnahmen wirklich zum Ziel führen. 

Therapeutische Bausteine in der symptomatischen Therapie

Bei der nachhaltigen Linderung von belastenden Symptomen der MS gilt: Die Optimierung der Alltagsstrategien (z. B. mit dem Einsatz von Hilfsmitteln) und nichtmedikamentöse Strategien stehen im Vordergrund. Medikamente und korrigierende Operationen sind mit Nebenwirkungen verbunden – daher besprechen wir ausführlich, wann Sie tatsächlich von einer solchen Maßnahme profitieren können.

Aus folgenden Bausteinen setzt sich Ihre symptomatische Therapie zusammen:

  • Manuelle und alltagspraktische Therapien (Physiotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie)
  • Klinische Psychologie/Neuropsychologie
  • Hilfsmittelversorgung
  • Medikamentöse Therapien
  • Selten operative Maßnahmen

Gemeinsam nach vorne schauen: Ein Therapieerfolg ist Teamarbeit

Bei einem stationären Aufenthalt erwartet Sie eine intensive therapeutische Begleitung aus unterschiedlichsten Fachdisziplinen: Fachärzte, spezialisierte Pflegekräfte, Therapeuten und Psychologen ziehen an einem Strang, um einen effektiven Therapieprozess zu gewährleisten. Egal ob es sich dabei um eine immunologische oder symptomatische Therapie handelt – heutzutage steht uns eine Vielzahl medikamentöser und nicht medikamentöser Möglichkeiten zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und mehr Lebensqualität ermöglichen. Für eine erfolgreiche therapeutische Zusammenarbeit braucht es ein gutes Team, zu dem auch Sie gehören. So können wir in einer vertrauensvollen Atmosphäre gut zusammenarbeiten.

Können wir Ihnen weiterhelfen? So erreichen Sie uns

Wenn Sie sich fragen, ob eine stationäre Behandlung für Sie oder Ihren Angehörigen geeignet ist, kontaktieren Sie gerne die Patientenaufnahme: 
Telefon 08151 261-392 oder E-Mail aufnahme.patienten@ms-klinik.de.

Wir beraten Sie vertraulich zu Ihren Behandlungsmöglichkeiten in der Marianne-Strauß-Klinik.